1945 wurde ein Schlußstrich
gezogen und die Trennlinie.
Mit der Befreiung vom Hitler-
faschismus ergab sich nicht nur
die Chance, sondern die Ver-
pflichtung zum Bruch mit der
imperialistischen Vergangen-
heit und zu einem Neubeginn
auf der Grundlage der anti-
faschistisch-demokratischen
Orientierung, die zuerst vom
ZK der KPD im Aufruf vom
11. Juni 1945 aufgezeigt wurde

Die Einleitung des Übergangs
zu einer neuen Ordnung, die
zusammen mit den sowjeti-
schen Genossen vollzogene
Umwälzung in einem einheit-
lichen revolutionären Prozeß,
die Grundlagen des Sozialis-
mus und die in Angriff genom-
mene Gestaltung der entwik-
kelten sozialistischen Gesell-
schaft bestimmen seitdem die
Entwicklung des Eisenacher
Automobilbaues.
Handwagenfertigung

Wartburg Signale 1976 Illustrierte Sonderausgabe

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Zunächst jedoch war an Automobile nicht zu
denken.

Ohne Hilfe seitens der amerikanischen Mili-
tärverwaltung, die von Anfang April bis Ende
Juni in Eisenach herrschte, und gegen den Wi-
derstand noch residierender BMW-Direktoren
organisierte der gebildete Arbeiterausschuß
vordringlichste Aufräumungsarbeiten und die
Aufnahme einer Notproduktion von Haushalts-
gegenständen, Kochtöpfen, Gartengeräten und
Handwagen.

Bei dem Abzug der Amerikaner wurde der
ruinierte Betrieb vollends ausgeplündert.

Erst mit der Errichtung der sowjetischen Mi-
litärverwaltung in Eisenach konnten neue Ver-
hältnisse geschaffen und Festlegungen über
weitere Vorgänge getroffen werden.

Da wurde eine Delegation bei der SMAD in
Berlin-Karlshorst vorstellig und bekam als Vor-
aussetzung für eine endgültige Entscheidung
die Auflage, bis zum 10. September 1945 fünf
Automobile als Baumuster zu liefern. "Unsere
Belegschaft hat sich mit Begeisterung an die
Arbeit begeben und in Tag-, Nacht- und Sonn-
tagsarbeit innerhalb von sechs Tagen diese
fünf Automobile hergestellt", äußerte der da-
malige Werkleiter in einem Presseinterview. Die
mühsam aus verlagerten Ersatzteilbeständen
montierten und fahrtüchtig gemachten Wagen
überzeugten: Der SMAD-Befehl Nr. 93 vom 13.
Oktober 1945 ordnete an, mit der Herstellung
von Kraftfahrzeugen zu beginnen.

Er war und ist die Geburtsurkunde für den
neuen Automobilbau in Eisenach.

Bereits Mitte Oktober 1945 setzte die Ferti-
gung von Automobilen ein, und bis zum Jah-
resende waren 68 Stück hergestellt Es handelte
sich um Wagen des Typs 321.

Mit der Aufnahme des Werkes als Zweig-
betrieb in die Staatliche Aktiengesellschaft
Awtowelo kamen sowjetische Hilfeleistungen
mit Material und Werkzeugmaschinen, Unter-
stützungen wurden bei den Aufräumungsarbei-
ten und der Wiederinbetriebnahme instandge-
setzter Werksanlagen gegeben, neue Sozialein-
richtungen entstanden, Erfahrungsaustausche
mit sowjetischen Neuerern vermittelten wert-
volle Erkenntnisse in der Anwendung moderner
Fertigungsmethoden, unter sowjetischer Anlei-
tung begann das Beherrschenlernen fortschritt-
licher Produktionsprozesse. Das Werk tat die
ersten Schritte zum sozialistischen Großbetrieb.

1947 waren 16 000 Kubikmeter Schutt und
über 8000 Tonnen Trümmerschrott geräumt.

Im gleichen Jahr, 1947, produzierte der Be-
trieb bereits 2035 Personenkraftwagen vom Typ
321 und 2500 Motorräder R 35. 1948 stieg die
Produktion auf 2398 Wagen und 2957 Motor-
räder.
Ebenfalls noch 1948 lief zusätzlich die Her-
stellung des Modells 327-2 an, des sportlichen
Coupés bzw. Kabrioletts, 2/2-sitzig und mit 55
PS leistendem 1971-cm³-Sechszylindermotor.
Parallel zu Produktionssteigerungen war das
Werk schon wieder in die Lage versetzt, kon-
struktive Weiterentwicklung zu betreiben. Sie
richtete sich einmal auf das Motorrad R 35.
Zum anderen erfolgte die Entwicklung des Per-
sonenkraftwagens 340-2, der schon frühzeitig
internationale Tendenzen im Bau großer Auto-
mobile der Hubraummittelklasse veranschau-
lichte. So zeigte der neugestaltete Aufbau,
viertürig und weit geräumiger als der des 321,
bereits Ansätze zur sogenannten Pontonform.
Am Motor, der schon im 327-2 eingebaut wurde
brachten diverse Detailverbesserungen einen
Anstieg auf 55 PS Leistung. Das Fahrwerk, das
nun durch eine exakt geführte Hinterachse
und deren Abfederung durch längsliegende
Drehfederstäbe gekennzeichnet war, ergab
Verbesserungen von Fahreigenschaften und
Fahrkomfort.
Der Typ 340-2 ging 1949 in Serie und wurde
einschließlich der Sonderausführungen, dem
Kombi und dem Lieferwagen sowie dem Sani-
tätsfahrzeug, bis 1953 gebaut.

Ab Oktober 1945 wurden in Eisenach wieder
Automobile gebaut.
Erstes Nachkriegsmodell war der aus dem
1936 im Werk entstandenen 320 weiterentwik-
kelte Personenkraftwagen Typ 321, eine zwei-
türige Limousine mit 45 PS leistendem 1971-
cm³-Sechszylindermotor.

BMW 321



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340-2 Lieferwagen

Das Typenprogramm 340-2 (Bild links) bein-
haltete neben der viertürigen Limousine auch
Sonderausführungen, so z. B. den Lieferwagen.

1954 brachte das Rennkollektiv des Werkes
völlig neuentwickelte 1,5-Liter-Sportwagen an
den Start (Bild rechts). Diese "AWE" zählten
zu den schnellsten Rennfahrzeugen in ihrer
Klasse. Die Rennbeteiligung wurde aber nach
1956 eingestellt, um fortan sportliche Leistungs-
demonstrationen direkt mit den produzierten
Serienwagen anzutreten.

Am 5. Juni 1952 übergab die Sowjetunion
das Automobilwerk Eisenach in das Volkseigen-
tum der Deutschen Demokratischen Republik.
Durch die vom Sommer 1945 an gewährten
Hilfen der Sowjetunion waren die Kriegsschä-
den im Werk beseitigt, eine Wiederherstellung
zu 90 Prozent der früheren Kapazität erreicht
und eine Spitzenproduktion in der Kraftfahr-
zeugindustrie der DDR eingenommen.
Davon ausgehend erfolgte in den Händen
der Werktätigen unter Führung der Arbeiter-
klasse und ihrer marxistisch-leninistischen Par-
tei die weitere sozialistische Entwicklung des
VEB Automobilwerk Eisenach innerhalb des
IFA-Industrieverbandes Fahrzeugbau der DDR.
Der für die DDR-Kraftfahrzeugindustrie be-
trächtliche Effektivitätszuwachs durch das Ei-
senacher Werk mit seinem Produktionspotential
ermöglichte und veranlaßte zugleich Umstruk-
turierungen in den Typenprogrammen, die ge-
rade für den Eisenacher Automobilbau ebenso
umwälzende wie zukunftsweisende Verände-
rungen beinhalteten.
Diese Maßnahmen im Industriezweig zielten
auf Bereinigung des Typensortiments unter be-
sonderer Berücksichtigung gesteigerter Produk-
tion von Fahrzeugen mit ökonomisch günstigen
Kennwerten ab.

AWE Sportwagen

Dabei wurden internationale Trends auf län-
gere Sicht hin sorgfältig eingeschätzt und ana-
lysiert.
Mit Beginn der fünfziger Jahre zeichnete sich
die Entwicklung des Automobils zum modern-
sten individuellen Verkehrsmittel schon unmiß-
verständlich ab. Der Bedarf stieg rapide an.
In Verbindung damit entstanden u. a. in der
westdeutschen Automobilindustrie Rollermobile
und Kleinstwagen, die sich jedoch auf die
Dauer wegen unzulänglicher Gebrauchseigen-
schaften als Fehlentwicklungen herausstellten.
Andererseits entsprachen auch die großen Zwei-
liter-Sechszylinder-Limousinen 340-2 kaum noch
den Verhältnissen.
So übernahm 1953 der VEB Automobilwerk
Eisenach die Produktion des zuvor in Zwickau
gefertigten Personenkraftwagens IFA F 9.



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IFA F9 Limousine

Die Wartburg Entwicklung


Aus der Weichenstellung mit dem IFA F 9
entwickelte der Eisenacher Automobilbau ein ganz neues PKW-Konzept
und schuf die modernen WARTBURG-Automobilgenerationen.
Die Aufnahme des kleineren und zweitaktmotorisierten IFA F 9
verlief im Werk anfangs nicht ohne Zurückhaltung und Vorurteile.
Alsbald aber stand das gesamte Werkskollektiv fest für den neuen Typ ein.
Stückzahlen und Erzeugnisqualität stiegen ständig.
Gleichlaufend
zur Serienproduktion
des IFA F 9
erfolgten binnen kurzer Zeit
schon erhebliche
Verbesserungen
des Wagens.

Wartburg 311 Seitenansicht



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Die Verbesserungen am IFA F 9 bestätigten,
wie schnell es im Werk gelang, spezielle Pro-
bleme des Zweitaktmotor-Frontantriebautomo-
bils nicht nur zu erkennen, sondern diese auch
auf Anhieb zu beherrschen und neuen Lösun-
gen zuzuführen. So wurde die Leistung des 900-
cm³-Motors von 28 auf 32 und dann auf 34 PS
gesteigert, verbesserte Nebenaggregate, ge-
änderte Schaltung und Karosserieretuschen
brachten weitere Aufwertungen.
Inzwischen aber, bereits 1954 beginnend
und schon ein Jahr später in Versuch und Fahr-
erprobung abgeschlossen, wurde vom Werk an
durchgreifender Weiterentwicklung gearbeitet.
Die hierzu klar formulierte Zielstellung lief auf
einen neuen Eisenacher Automobiltyp hinaus,
der auf der bereits weiterentwickelten Baugrup-
penbasis von Fronttriebwerk und Fahrwerk nun
auch eine vollkommen neue Karosserie auf-
weisen sollte. Die ersten Nullserienfahrzeuge
dieses neuen Eisenacher Mittelklasse-Frontan-
triebwagens liefen bereits Ende 1955. Das Bau-
muster trug die Typ-Numerierung 311.
Zur Leipziger Frühjahrsmesse 1956 fand die
Vorstellung der neuen Modelle unter der von
nun an geltenden Markenbezeichnung WART-
BURG vor der breiten Öffentlichkeit statt.
Der WARTBURG 311 steckte bei seinem Er-
scheinen schon vollkommen neue Automobil-
Maßstäbe ab: Der neue Eisenacher Typ war
von der Motor-Basis her in der Hubraumskala
zwischen Kleinwagen und bisherigem Mittel-
klassebereich plaziert. Dort knüpfte er nach
unten hin an günstige Kosten- und Wirtschaft-
lichkeitsfaktoren an und stellte andererseits
Leistungsmerkmale, Geräumigkeit und Kom-
forteigenschaften bereit, die sonst erst von der
Hubraum-Mittelklasse erwartet wurden. Kon-
struktiv abweichend von üblichen Mittelklasse-
Standards waren der bereits 37 PS leistende
Zweitaktmotor und der progressive Frontantrieb
mitbestimmend für neue Gebrauchswerteigen-
schaften und kennzeichnend für die vorbild-
liche Gesamtkonzeption.
In solchem Zusammenhang ist wieder ein
Blick auf die Entwicklung im internationalen
Automobilbau jener Jahre aufschlußreich und
interessant. Besonders der mit dem WARTBURG
anvisierte Hubraumbereich wurde bald ausge-
sprochen populär und daher zu einem stark
belegten Aktionsfeld auch anderer europäischer
Automobilwerke. Es kristallisierte sich die Ka-
tegorie genau der "Tausender" heraus. Dort
wurde indessen fast ausschließlich mit Heck-
triebwerken operiert. Der Frontantrieb, heute
bei Wagen der unteren Hubraum-Mittelklasse
Wartburg 353


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überwiegend angewendet, hielt erst sehr viel
später Einzug im europäischen Automobilbau.
Der VEB Automobilwerk Eisenach entwickelte
während dieser Zeit den viertürigen, großräu-
migen Frontantriebwagen WARTBURG 311
zügig weiter.
Die Modellreihe mit Standard-Limousine,
zweitürigem Kabriolett und Kombiwagen wurde
1957 bereits aufgestockt durch Limousine de
luxe, Coupé sowie eine international neue Va-
riante, nämlich die fünftürige Camping-Limou-
sine und ferner einen zweisitzigen Sportwagen.
Parallel erfolgten ständige Vervollkommnun-
gen. Sie reichten von einem neuen Ziergitter
über das vollsynchronisierte Vierganggetriebe
bis zu Befestigungspunkten für Sicherheitsgurte
- sie waren damals noch keineswegs eine
Selbstverständlichkeit. Ab 1962 kam für den
WARTBURG 311 der auf 992 cm³ Hubraum
vergrößerte Motor zum Einsatz.
Mit nun 45 PS Leistung sowie einem max.
Drehmoment von 9,5 kpm dieses Fronttriebwer-
kes und mit seiner großformatigen Karosserie
rangierte der WARTBURG 311 über dem Durch-
schnitt vergleichbarer Wagen der Einliter-Hub-
raumklasse.
Bereits 1963 aber wurde vom Werk intern
wieder ein vollkommen neues Prototypmodell
Schraubenfedern Fahrgestell
1966 erschien der WARTBURG 353, gekenn-
zeichnet durch die neue Fahrwerkskonstruktion
mit Schraubenfederung und Einzelradaufhän-
gung aller vier Räder und durch eine nach mo-
dernsten Kriterien gestaltete neue Karosserie
(Bilder links und oben).
Ein Teilstück in der 353er Weiterentwicklung
war der Einsatz des 50-PS-Motors 353-1 (Bild
rechts), Dieser neue Motor wurde zur Leipziger
Herbstmesse 1969 als Schnittmodell vorgestellt
und fand großes Publikumsinteresse.

vorgeführt. Es gab schon genaue Aufschlüsse
über die Zielabsichten und die Wege zur Reali-
sierung. Als neue Aufgabe wurde, ausgehend
von der WARTBURG-Grundkonzeption und be-
zogen auf längerfristige Gültigkeit im Perspek-
tivzeitraum, formuliert: Schaffung eines mo-
dernen Frontantriebwagens der in mehrfacher
Hinsicht als vorteilhaft erkannten unteren Hub-
raum-Mittelklasse mit optimierten Gebrauchs-
werteigenschaften und überdurchschnittlichen
Komfortmerkmalen.
Die demgemäß verwirklichte Neuentwicklung
wurde stufenweise in die Serienproduktion
überführt.
Die erste Phase bestand im Einsatz des 45-
PS-Fronttriebwerkes zusammen mit einem voll-
ständig neuentwickelten Fahrwerk ab Herbst
1965 bei dem sogenannten Übergangsmodell
312, dieses noch mit dem bisherigen Aufbau.
In der zweiten Stufe folgte dann der Einsatz
der ebenfalls vollkommen neuentwickelten Ka-
rosserie. Der Schritt dazu erfolgte nach so prä-
zisen Vorbereitungen, daß keine Fertigungs-
unterbrechung eintrat, planmäßig am 1. Juli
1966.
An diesem Tage begann die Serienprodukt-
ion des Eisenacher Automobiltyps WARTBURG
353.

Der neue Motor



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