Melkus RS 1000

Wenn jemand nähere Informationen oder Bildmaterial über die Entstehung und die Renngeschichte der RS 1000, oder auch der früheren Melkussportwagen, besitzt bitte eine e-mail an mich.
 
 
SPORT
Sächsische Flunder

Rennsportwagen aus Dresden:
Melkus RS 1000


Heinz Melkus, Inhaber der gleich-
namigen halbstaatlichen Dresdner
Firma, war einer der erfolgreichsten
Automobil-Rennsportler der DDR.
Er entwickelte und fuhr zahlreiche
Sport- und Rennwagen, deren An-
trieb immer hochgezüchtete Wart-
burg-Zweitakt-Motoren besorgten.
Fast 80 solcher Sportfahrzeuge ent-
standen in Dresden. Höhepunkt sei-
ner Konstrukteurstätigkeit war das
Jahr 1969: Melkus stellte ein eigen-
entiwickeltes, flaches Mittelmotor-
sportcoupe auf die Räder. Nur in ge-
ringer Stückzahl gefertigt, ist dieser
Zweisitzer über die DDR-Grenzen
hinaus kaum bekannt geworden.
 
Die Rennsport-Szenerie im östlichen Nach-
barland konnte nicht gerade mit besonde-
ren Höhepunkten aufwarten. An Grand-
Prix-Rennen ist dort seit Jahrzehnten nicht
mehr zu denken. Aber die Motorsportbe-
geisterung blieb - und so mußte sich auch
der allgewaltige Allgemeine Deutsche Mo-

Flügel und Motorhaube hoch


Flügeltüren und Dach des Coupés bestehen
aus Leichtmetall. Vorder- und Heckteil sind
aus Kunststoff.

torsportverband (ADMV) - eine Art östli-
ches Gegenstück des ADAC - etwas ein-
fallen lassen, um den Blick der Fans nicht
ausschließlich ins Ausland schweifen zu las-
sen. 1968 regte der Verband den Dresdner
Maestro an, doch über einen seriennahen
Rennsportwagen nachzudenken. Heraus
kam erst einmal ein 1:5-Gipsmodell, das -
nachdem Mitarbeiter der Kraftfahrzeug-
technischen Anstalt der Technischen Uni-
versität und der Verkehrshochschule Dres-
Draufsicht


Der Flügeltürer aus Dresden basiert auf dem
Großserienfahrzeug Wartburg 353.

den, Techniker des Automobilwerks Eise-
nach (Wartburg) und Designer der Kunst-
hochschule Berlin-Weißensee ihre Hilfe zu-
gesagt hatten - in einer neugegründeten
"Arbeitsgemeinschaft Sportwagen" ver-
vollkommnet wurde. Nach fünf Monaten
rollte der erste Prototyp aus der sächsi-
schen Edel-Schmiede.
Gemessen an diesem Aufwand verwundert
das Ergebnis nicht: Es entstand ein straßen-
taugliches Sportcoupé, das speziell für
Renneinsätze der damaligen Gruppe 4 nach
FIA-Reglement (später Gruppe B 5) präpa-
riert werden konnte. Wesentliche Baugrup-
pen, wie der verstärkte Rahmen, Radauf-
hängungen, Bremsanlage, Lenkung, Mo-
tor, Getriebe sowie Armaturen und Elek-
trik, ja sogar die Frontscheibe, stammten
vom Wartburg 353. Gestalterische Kom-
promisse waren darum bereits vorprogram-
miert.
Die Leistungssteigerung des anfangs 992
ccm kleinen Dreizylinder-Zweitakt-Motors
von 50 auf 70 PS wurde durch Teilefeinst-
bearbeitung, Veränderung am Ansaug-
trakt, geändertes Auspuffsystem (Doppel-
auspuff) und MZ-Dreifachvergaser er-
 
 
 
RS 1000 steht und fährt Die Auspuffahne verrät es:
Den Antrieb besorgt ein
Zweitakt-Motor.

Konzipiert wurde der Melkus
RS 1000 für den Rennsport.

In die Bundesrepublik
gelangte wahrscheinlich nur
ein Exemplar des sächsi-
schen Renners.

RS 1000

Bericht aus Oldtimer Markt 11/1989

MARKT 11/89

 
 
SPORT

RS 1000 Seitenansicht

Schaf im Wolfspelz: Von außen sieht der Melkus RS 1000 viel schneller aus, als er tatsächlich ist.
Entstanden war er als Gemeinschaftsprodukt einer Arbeitsgemeinschaft.
 
 
 
reicht. Die mindestens 170 km/h schnelle
Rennversion mit Rennvergaser und -aus-
puff kam auf immerhin 90 PS. In den letz-
ten zwei Baujahren vergrößerte Melkus die
Zylinderbohrung von 73,5 auf 78 mm -
dies ergab einen Hubraum von 1119 ccm.
Die Leistung blieb die gleiche, aber das ma-
ximale Drehmoment wuchs von 12 auf 13
mkg bei 3500 U/min. Für die "zivile" Ver-
sion getankt werden mußte 1:33-Zweitakt-
Gemisch (Normalbenzin). Bei gemäßigter
Fahrweise kam der RS 1000 mit 12 Litern
auf 100 km aus.
Vorder- und Heckteil des Coupés bestan-
den aus glasfaserverstärktem Polyester,
hergestellt im früheren Phänomen-Werk,
dem jetzigen Lkw-Hersteller Robur in Zit-
tau. Flügeltüren und Dach waren aus
Leichtmetall gefertigt, für die Bodenteile
 
Melkus RS 1000
Motor
 

Hubraum

Bohrung x Hub
 

PS bei U/min
Getriebe

Karosserie
 
 

Vorderrad-
aufhängung
 
 
 

Hinterrad-
aufhängung
 
 

Länge x Breite
x Höhe

Radstand

Leergewicht

0 - 100 km/h

Spitze

Bauzeit

Stückzahl
Dreizylinder-Zweitakt-
Reihen-Motor

992 ccm (später 1119 ccm

73,5 x 78 mm
(später 78 x 78)

70 bei 4750

Fünfgang-Synchrongetriebe

Zweisitzige Stahl-LM-GFP-
Karosserie auf
Kastenrahmen-Chassis

Einzelrad-Aufhängung mit
oberen Schraubenfedern
und unteren Dreiecks-
Querlenkern, Teleskop-
Stoßdämpfer

Einzelrad-Aufhängung mit
Schräglenkern, Schrauben-
und Gummizusatzfedern,
Querstabilisator

4000 x 1700 x 1070 mm
 

2450 mm

690 kg

13,4 Sekunden

158 km/h

1969 bis 1973

101
wurde Stahlblech verwendet. Beidseitig un-
terhalb der Türen befanden sich zwei Ben-
zintanks. Direkt unter der sehr flachen
Heckscheibe lag eine großflächige Ablage,
und hinter der Rückwand fand sich der für
Sportwagen vorgeschriebene Kofferraum,
der allerdings - mit 60 x 40 x 20 cm - die-
se Bezeichnung keineswegs verdiente. Für
den RS 1000 wurde im Windkanal der TU
Die Hinterachse erhielt einen zusätzlichen
Querstabilisator, die Federwege wurden er-
heblich gekürzt. Das derart straff abgefe-
derte Fahrzeug übersteuerte stark in schnell
gefahrenen Kurven - dem Fahrer blieb nur
die energische Kurbelei am kleinen Drei-
speichen-Sportlenkrad. Sportliches Flair
sollten auch die beiden Schalensitze und die
6.50-13-Rennreifen aus dem Riesaer Rei-
Der Motorraum Der Hubraum des Motors
wuchs von zunächst 992 auf
1119 cm.

Der Motor


Änderungen am Ansaugtrakt, Doppelauspuff
und Dreifachvergaser sorgten für mehr Power.
 
Dresden übrigens der cw-Wert von 0,30 ge-
messen.
Den Kühlwasserumlauf zum flachen Wa-
benkühler im Fahrzeugbug besorgte die
Wasserpumpe am Zylinderkopf. Das elek-
trische Gebläse hinter dem Kühler war bei
Bedarf zuschaltbar. Zugang zu Kühler, Ge-
blase, Batterie, Elektrik, Heizung, Schei-
benwaschanlage, Radaufhängung und Len-
kung hatte man durch die große Klappe im
Vorderteil.
fenwerk vermitteln. Mankos blieben immer
noch genügend. Beispielsweise: Auch wenn
man hier schon - anders als beim Wart-
burg - eine Zweikreisbremsanlage einbau-
te, konnte von optimaler Verzögerung
nicht die Rede sein. Als Extra wurden dar-
um später vordere Scheibenbremsen (vom
Polski-Fiat 125p) angeboten.
Der RS 1000 war kein Auto für den Alltags-
betrieb. Sehr straff gefedert und wenig
komfortabel, mit einem winzigen Koffer-
raum und unzureichend geräuschgedämpft,
wurde er nur bis 1973 in Kleinserie gefer-
tigt. In den freien Verkauf gelangten diese
Autos nie - sie waren nur über den ADMV
zu beziehen. Die wenigen Glücklichen hat-
ten etwa doppelt so viel wie für einen Wart-
burg 353 zu bezahlen - also etwas über
30.000 DDR-Mark.
RS 1000 aus zweiter Hand wurden so
schnell zu begehrten Sammlerstücken -
was sie heute natürlich erst recht sind.

Eberhard Kittler

Bericht aus Oldtimer Markt 11/1989

MARKT 11/89


 
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