Das 311er Modell 1960
Seit unserem letzten Test über die Wartburg-Standard-Limousine
im Heft 2/1960 sind rund 2 1/2 Jahre vergangen. In diesen
2 1/2 Jahren sind die Eisenacher Automobilbauer nicht untätig ge-
wesen, so daß der heute besprochene Wartburg wohl äußerlich
dem damaligen Wagen im großen und ganzen gleicht, in zahl-
reichen Details jedoch grundlegend geändert wurde, so daß man
eigentlich von einem neuen Wagen sprechen müßte, der auf der
Grundlage des bewährten Wartburg in der Zwischenzeit ent-
standen ist. Nicht zuletzt spricht die Tatsache, daß der Wartburg
vor einiger Zeit das Gütezeichen "Sonderklasse" vom DAMW er-
halten hat, für den hohen qualitativen Stand, den die Erzeugnisse
des Eisenacher-Werkes in der Zwischenzeit erreicht haben. Der
Motor erhielt sogar das Gütezeichen "Q" (beste Qualität).

Auf Grund dieser Tatsachen gingen wir natürlich mit einigen Er-
wartungen an den Test heran. Obwohl während der Testperiode
Nässe, schmierige Straßen und Glatteis vorherrschten, die irgend-
welche Unregelmäßigkeiten noch krasser zutage treten lassen als
sommerliches Schönwetter, wurden unsere Erwartungen nicht
enttäuscht. Wir möchten jedoch dem abschließenden Urteil nicht
vorgreifen, sondern uns zunächst den zahlreichen Verbesserungen
und Neuheiten zuwenden.

Der neue Kühlergrill, abgeleitet vom Sportwagen und die Kunst-
harzlackierung, die gegenüber dem Nitrolack erheblich intensiver
glänzt, fallen sofort ins Auge. Neu gestaltet wurde jedoch auch
der Karosserieboden am Heck, um nach längerer Fahrzeit auf-
getretenen Rissen vorzubeugen. Der Benzintank ist jetzt vom
Kofferraum aus herausnehmbar. Die ganze Karosserie ist auch
in ihren Details sehr sauber und solide verarbeitet, angefangen
von den hell und freundlich bezogenen Sitzen und Innenausklei-
dungen bis zu den Türen. Über eindringendes Wasser konnten
wir uns weder im Innenraum noch im Kofferraum beklagen, und
die Türritzen waren erstaunlich dicht gegenüber Zugluft. Der
Wartburg macht übrigens seit einiger Zeit eine systematische Ab-
magerungskur durch und ist inzwischen 24 kg leichter geworden.
Während beim Fahrgestell die Vorderradführung mit unteren
Dreiecksquerlenkern und oberer Querblattfeder, gedampft durch
Teleskopstoßdämpfer, beibehalten wurde, ist die Hinterachse neu
gestaltet. Bisher bestand diese Schwebeachse aus einem waage-
rechten Kastenprofil, an das links und rechts die Achsstummel
angesetzt waren. In der neuen Ausführung ist der Achskörper
stark nach unten gekröpft und ermöglicht somit einen etwas tiefe-
ren Angriffspunkt der Längslenker und Teleskopstoßdämpfer.
Sowohl der Achskörper als auch die Achsstummel wurden ver-
stärkt. Die grundsätzliche Konstruktion der Schwebeachse wurde
demnach beibehalten, das Fahrverhalten des Wagens hat sich aber
unseres Erachtens mit dieser neuen Achse in erheblichem Maße
verbessert. Mit der alten Achsausführung war es verhältnismäßig
einfach, den Wagen hinten zum Wegrutschen zu bringen, etwas
Splitt oder Kies in einer scharf gefahrenen Kurve genügten dazu.
Das war nicht weiter tragisch, da der Frontantrieb den Wagen
ohnehin sehr schnell wieder auf Spur zog. Mit der neuen Achse
konnten wir jedoch selbst bei Glatteis keine Tendenz mehr zum
Ausbrechen des Hecks feststellen.

Überhaupt lernt man bei Glatteis die guten Radführungseigen-
schaften des Wartburgs und die Vorteile des Frontantriebs erst
richtig schätzen. So fuhren wir auf vereister Autobahn
Geschwindigkeitsdurchschnitte von 85 bis 100 km/h. Dabei lief
der Wagen einwandfrei, das Eis merkte man eigentlich nur
beim scharfen Beschleunigen, wo die Vorderräder durchdrehten.
Die Federung des Wagens könnten wir uns noch etwas weicher
Die Verarbeitung im Wartburg macht einen sehr sauberen und soliden Eindruck. Die Sitze sind nur auf den Flächen mit Polsterstoff bezogen. Die Seitenkanten, die mit den Füßen berührt werden können, sind wie die Hinterteile der vorderen Lehnen und die Türen mit Kunststoff, abwaschbar, verblendet.
Das Armaturenbrett ist elegant und zweckmäßig aufgeteilt. Im Blickfeld liegen die gegen Blendung abgeschirmten Instrumente. In der Mitte ist Platz für ein Bordradio, und der Aschenbecher wurde gegenüber früheren Baujahren vergrößert. Der Zigarettenanzünder ist als Taste ausgebildet.
Die Innenausstattung Das Armaturenbrett
 
Aus Der Deutsche Straßenverkehr 2/1960
 
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vorstellen. Die Stoßdämpfer arbeiteten sehr exakt. An der Zahn-
stangenlenkung hat sich nichts geändert. Sie ist verhältnismäßig
direkt ausgelegt, arbeitet mitunter etwas hart und läßt den Kon-
takt mit der Straße nicht vermissen. Nachteilig empfanden wir
den großen Wendekreis des Wagens. Kleinere Räder könnten hier
Abhilfe schaffen, aber kleinere Räder bringen wieder andere
Nachteile mit sich, wie z. B. kleineren Bremstrommeldurchmesser
und schlechtere Bremstrommelkühlung.

Auch die Bremsanlage des Wagens wurde grundlegend geändert.
Während bisher der Bremsflüssigkeitsbehälter mit dem Haupt-
bremszylinder vereinigt war, so daß die Auffüllung und Kontrolle
der Bremsflüssigkeit Schwierigkeiten bereitete, sind diese Teile
jetzt getrennt angeordnet. Der Flüssigkeitsbehälter aus durch-
sichtigem Kunststoff befindet sich sehr gut zugänglich an der
Spritzwand. Ein Blick genügt, um festzustellen, ob man Bremsöl
nachfüllen muß oder nicht. Die Bremsfläche wurde pro Rad auf
230 cm², also insgesamt auf 920 cm² vergrößert. Bei den Hinter-
rädern betätigt je ein Radzylinder beide Bremsbacken. Vorn sind
Duplex-Bremsen eingebaut. Jede Bremsbacke hat hier ihren eige-
nen Bremszylinder und stützt sich gegen die Drehung der um-
laufenden Bremstrommel ab. Dadurch arbeiteten alle Brems-
backen auflaufend und ermöglichen eine optimale Bremswirkung.
Außerdem sind die vorderen Radbremszylinder im Durchmesser
noch um einiges größer als die hinteren, so daß sich für die Vorder-
achse eine höhere Bremswirkung ergibt. Durch diese Maßnahme
wird eine hervorragende Bremswirkung erreicht und anderer-
seits die Fußkraft am Bremspedal wesentlich verringert. Für
normales Bremsen braucht man das Pedal kaum mehr als sachte
anzutippen. Scharfes Bremsen steigert die Wirkung stark pro-
gressiv und ermöglichte Verzögerungen von 10 bis 11 m/s² (!), die
wir in wiederholten Versuchen auf trockener Autobahn mit dem
Testwagen erreichten. Diese neue Bremsanlage des Wartburg
ist mit Abstand die beste, die wir bisher in einem von uns ge-
testeten Pkw antrafen. Die Handbremse liegt griffgünstig zwi-
schen den Vordersitzen. Unseres Erachtens ist sie dort viel besser
aufgehoben als unter dem Armaturenbrett bei zahlreichen
anderen Wagentypen. Die Eisenacher sollten sich nicht von
irgendwelchen Modeerscheinungen verleiten lassen und diese
Anordnung auch künftig beibehalten.

Der Dreizylinder-Zweitaktmotor besitzt ein hervorragendes Steh-
vermögen und läuft auch nach stundenlanger Autobahnjagerei
genauso ruhig wie zuvor. Obwohl er sich bei mittleren und hohen
Drehzahlen am wohlsten fühlt, nimmt er auch das Quälen in
Drehzahlen unterhalb des maximalen Drehmoments nicht übel.
Geringe Anzeichen einer kritischen .Drehzahl waren in einem
schmalen Bereich um 3500 U/min Drehzahl zu Verzeichnen, das
sind etwa 90 km/h im vierten Gang. Gegenüber früheren Aus-
führungen sind die Arbeitsgeräusche erheblich leiser geworden,
vor allem jenseits 100 km/h ist hier ein auffallender Unterschied
zu früheren Baujahren festzustellen. Während man sich im ersten
Testwagen etwa ab 110 km/h kaum noch unterhalten konnte, hört
man in diesem neuen Typ nur noch ein helles feines Singen.
Die Autobahnstrecke Karl-Marx-Stadt - Rangsdorf von insgesamt
254 km fuhren wir z. B. in einer Gesamtzeit von zwei Stunden
30 Minuten, das entspricht einem Geschwindigkeitsdurchschnitt von
101,6 km/h, um nur ein Beispiel zu nennen. Dabei war die Fahr-
bahn teilweise naß, schmierig und sogar vereist.

Überrascht waren wir über den Kraftstoffverbrauch, der trotz des
hohen Geschwindigkeitsdurchschnittes auf diesem Autobahn-
stück nur 8,9 l/100 km betrug. Auch die Landstraßendurchschnitts-
verbräuche waren durchaus akzeptabel. Sie lagen trotz scharfer
Fahrweise selten höher als 10 bis 10,5 l/100 km. Im Stadtverkehr
kamen wir auf 11 bis 11,6 Liter je nach Außentemperatur. Neben
den Faktoren wie häufiges Anfahren, Bremsen, Beschleunigen,
die in der Stadt ohnehin den Kraftstoffverbrauch erhöhen, wirkte
sich hier noch aus, daß der Motor bei Temperaturen unter null
Grad im Kurzstreckenbetrieb niemals seine Betriebstemperatur
erreicht, und diese unterkühlten Kilometer kosten erheblich
Kraftstoff. War der Motor richtig warm, so kam er auch in der
Stadt mit 10,3 bis 10,6 l/100 km. aus. Der günstigste Verbrauch
ergab sich, wenn der Zeiger des Kühlwasserthermometers dicht
vor dem rechten roten Feld stand. Das sind etwa 90 bis 95 Grad.
Bei Temperaturen unter null Grad hilft die Kühlerjalousie und
auch die Abdeckung des Kühlergrills nicht viel. Kühler und Ven-
tilator sitzen hinter dem Motor und bekommen dann eben von
unten eine ganze Menge Luft. Am wirksamsten erwies sich ein
Stück Pappe unmittelbar zwischen Kühler und Ventilator, das
Wartburg 311 Limousine

T E C H N I S C H E   D A T E N

M o t o r

Dreizylinder, Zweitaktmotor mit Umkehrspülung, stehend in Reihe
Hubraum: 900cm³
Bohrung: 70mm Ø
Hub: 78mm
Verdichtung: 6,6 bis 6,8
Leistung: 37 PS bei etwa 4000 U/min
Max. Drehmoment: 8,3 kpm bei 2200 U/min
Max. Drehzahl: 4500 U/min
Schmierung: Mischungsschmierung 1:33 1/3
Kühlung: Wärmeumlaufkühlung mit Lüfter
Kühlmittelmenge: 10,7 l einschließlich des Wärmetauschers
Vergaser: BVF H 362-6
Kraftstoff-Förderung: Pneumatische Membranpumpe
Zündung: Batteriezündung, 3 Zündspulen, Dreihebelunterbrecher
Zündfolge: 1-3-2 (ab Schwungscheibe)
Zündkerzen: M 18 225

K r a f t ü b e r t r a g u n g

Kupplung: Einscheiben-Trocken
Getriebe:Viergang, 2., 3., 4. sperrsynchronisiert, Lenkradschaltung
Ausgleichsgetriebe: Gleasonverzahnung
Gesamtuntersetzung: 1. Gang 15,90 
 2. Gang 10,36 
 3. Gang  6,645
 4. Gang  4,643
 R. Gang 21,565 : 1
Freilauf: In allen Gängen sperrbar
E l e k t r i s c h e   A n l a g e

Batterie: 6 V 84 Ah
Lichtmaschine: 180 W ab 2200 U/min, spannungsregelnd
Anlasser: 0,6 PS, elektromagnetischer Schubschraubantrieb
Scheibenwischer: in Parallelschlag

F a h r g e s t e l l

Rahmen: Kastenprofil, 4 Querträger
Vorderachse: Einzelradaufhängung, unten Querlenker, oben an Querblatt-
feder, doppeltwirkende Teleskopstoßdämpfer, Federweg
160 mm insgesamt
Hinterachse: Starrachse mit hochliegender Querblattfeder doppelt-
wirkende Teleskopstoßdämpfer, Federweg 160 mm insgesamt
Lenkung: Zahnstangenlenkung, geteilte Spurstange, 2 Lenkradumdrehungen
von Anschlag zu Anschlag
Wendekreis: etwa 11 m
Fußbremse: hydraulisch, vorn Duplexbremsen
Handbremse: mechanisch, auf Hinterräder wirkend
Bereifung: 5,90-15
Luftdruck: vorn 1,4, hinten 1,5 atü
Karosserie: Stahlblech, viertürig
Heizung: Frischluftheizung über Wärmetauscher mit Scheibenentfrostung
Belüftung: mit Heizanlage kombiniert

M a ß e   u n d   G e w i c h t e

Radstand: 2450 mm
Spurweite vorn 1190 mm, hinten 1260 mm
Bodenfreiheit: 190 mm
Länge: 4300 mm
Breite: 1570 mm
Höhe: 1450 mm
Leergewicht: 960 kg
Nutzlast: 370 kg
Zulässiges Achslast: vorn 540 kg, hinten 690 kg
Tankinhalt: 40 l

F a h r l e i s t u n g e n

Höchstgeschwindigkeit: 119,5 km/h (Stoppwert des Testwagens)
Steigfähigkeit: 1. Gang 32%
2. Gang 18%      bei belastetem
3. Gang 11%      Wagen
4. Gang  7%
Kraftstoffnormverbrauch (DIN 70 030): 9,6 l 100 km
Gesamtdurchschnitt des Testwagens: 10,6 l 100 km
Preis: 14 700,- DM
Kfz.-Steuer: 162,- DM (jährlich)
Kfz.-Haftpflicht: 127,50 DM DDR
157,50 DM Berlin
 
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Gangdiagramm

Wie das Gangdiagramm zeigt, ergeben sich zwischen der Drehzahl
des maximalen Drehmoments und der der Höchstleistung weite
Überschneidungen zwischen den einzelnen Gängen. Dadurch
wird in allen Geschwindigkeitsbereichen ein weiches und elastisches
Fahren ermöglicht. Der zweite Gang liegt in seines Abstufung
nahe dem ersten Gang, so daß man den nicht synchronisierten
ersten praktisch nur zum Anfahren oder an starker Steigung braucht.

 
 
nur den Luftschacht für die Heizung frei ließ. Noch wirksamer
wäre wahrscheinlich ein Thermostat, der den Wasserdurchfluß
zum Kühler eist dann freigibt, wenn der Motor seine Betriebs-
wärme erreicht hat. In bezug auf das Anspringen ist der Zweitakt-
motor im Winter unschlagbar. Da sind kein steif gewordenes Öl
und keine Steuerteile zu bewegen, und der Starter schafft den
Motor mühelos, auch wenn der Wagen bei 10 Grad minus über
Nacht im Freien gestanden hatte.

Kommen wir nun zu dem neuen Getriebe, das vom zweiten bis
zum vierten Gang sperrsynchronisiert ist. Böse Zungen bezeich-
neten das alte Wartburg-Getriebe als Brechstangengetriebe, weil
es sehr exaktes Schalten und Zwischengasgeben erforderte. Um
so markanter ist der Unterschied zu dem neuen Synchrongetriebe.
Hier ist das Schalten eine spielende Angelegenheit. Das
Getriebe schaltet so weich und sicher, daß man eher das Gefühl
hat, eine Vorwählung zu betätigen als die Gänge einzulegen.
Dabei unterbietet der zierliche Schalthebel in seiner Kleinheit
noch sämtliche anderen bei uns angebotenen Fahrzeugtypen mit
Lenkradschaltung. Lange Schaltpausen bzw. Zwischengas erüb-
rigen sich natürlich. Bedingt durch den Freilauf kann man sich
sogar beim Herunterschalten mit Gaswegnehmen begnügen und
das Kuppeln sparen. Auch das Heraufschalten geht, ohne zu
kuppeln, nur dauert es hier etwas länger, bis die Synchronein-
richtung Gleichlauf hergestellt hat. Man sollte jedoch aus diesem
Schalten ohne zu kuppeln keine Tugend machen, weil dadurch
die Reibkonen der Synchronisiereinrichtung höher als konstruktiv
vorgesehen beansprucht werden und somit verständlicherweise
stärkerem Verschleiß unterworfen sind. Das neue Synchron-
getriebe erleichtert nicht nur die Bedienung des Wagens erheb-
lich, sondern ermöglicht auch Besehleunigungszeiten (siehe
Beschleunigungskurve), die mit dem alten Getriebe nur mit häß-
lichen Geräuschen denkbar waren.

In der Abstufung der Gänge liegt der zweite Gang verhältnis-
mäßig dicht bei dem ersten. Man braucht dadurch den nicht syn-
chronisierten ersten Gang nur zum Anfahren und eventuell an
starken Steigungen. Hier wirkt sich auch die günstige Leistungs-
charakteristik des Zweitaktmotors aus, dessen maximales Dreh-
moment von 8,3 kpm bereits bei einer Drehzahl von 2200 U/min
vorhanden ist. Ein Drehmoment von 7 kpm steht bereits ab
1600 U/min zur Verfügung. Legt man diese 1600 U/min zugrunde,
so reicht der erste Gang bis knapp 35 km/h; der zweite von rund
20 bis 50, der dritte von 30 bis 80 und der vierte von 40 bis
Spitzengeschwindigkeit. Die weiten Überschneidungen zwischen
den einzelnen Gangbereichen sichern bei allen Geschwindigkeiten
ein elastisches und weiches Fahren. Da im vierten Gang das
maximale Drehmoment bereits bei 55 km/h vorhanden ist,
erübrigt sich oberhalb 55 praktisch das Herunterschalten, denn
der dritte Gang bringt hier kaum Nennenswertes. Man erledigt
deshalb die meisten Überholungsvorgänge mit dem Gaspedal und
kommt erstaunlich schnell vorwärts, ohne ständig im Getriebe zu
rühren. Der Motor erreicht und verträgt auch Überdrehzahlen
ohne weiteres, liegt doch die von uns gestoppte Höchstgeschwindig-
keit von 119,5 km/h bereits jenseits der angegebenen Maximal-
drehzahl von 4500 U/min. Die Höchstgeschwindigkeit wurde bei
einem Kilometerstand von etwa 2000 gestoppt, unseres Erachtens
wird der Motor mit zunehmender Laufzeit noch etwas schneller.

Die Innenausstattung des Wagens entspricht voll und ganz den
Ansprüchen, die im internationalen Maßstab an Fahrzeuge dieser
Größenklasse gestellt werden. Die Kontrollinstrumente, der
Tachometer und das Kombinationsinstrument mit dem Kühl-
wasserthermometer, dem Kraftstoffmesser und den Kontroll-Lam-
pen für Landekontrolle, Blinker und Fernlicht liegen gut im Blick-
feld und sind so abgeschirmt, daß sich ihre Beleuchtung nicht in der
Windschutzscheibe spiegeln kann. Außer dem Handschuhkasten
bietet das Armaturenbrett Platz für den nachträglichen Einbau
eines Bordradios.

Die Lichtschalter sind in der Mitte zu einer Tastengruppe ver-
einigt. Die linke Taste betätigt die nunmehr serienmäßig ein-
gebaute Parkschaltung. Dabei brennen nur das vordere linke
 
 
Beschleunigunskurve

 
Die mit dem Testwagen ermittelte Beschleunigungskurve zeigt, daß der
"Wartburg" über ein erstaunliches Temperament verfügt und sich
auch mit hubraummäßig erheblich größeren Fahrzeugen messen
kann. Dank des synchronisierten Getriebes wurden diese Werte ohne
kratzende Geräusche erreicht.
 
 
Standlicht und das linke Rücklicht. Drückt man zusätzlich die
zweite Taste, so brennen vorn beide Standlampen, hinten beide
Rücklichter, die Kennzeichenbeleuchtung sowie die Armaturen-
beleuchtung. Bei Druck der Scheinwerfertaste brennen sämtliche
Standlichter, Rücklichter und Kennzeichenbeleuchtung auto-
matisch, auch wenn die Standlichttasten nicht gedrückt sind. Die
vierte Taste bedient den Scheibenwischer, der wieder im Parallel-
schlag arbeitet und einen stärkeren und geräuscharmen Wisch-
motor erhalten hat. Die fünfte Taste blieb frei (Reserve) und die

Bild links vermittelt einen Eindruck von der Lage des Kastenprofilrahmens, der Radaufhängung und der Triebwerksteile, hier am Beispiel des Kombiwagens. Dieses Triebwerk und Fahrgestell bildet die Basis für all die verschiedenen rechts abgebildeten Karosserieformen: Limousine, Luxusausführung, Coupé, Kabriolett, Camping-Limousine und Kombi- wagen. Lediglich Camping- und Kombiwagen haben eine andere Achsübersetzung und der Kombiwagen entsprechend der höheren Tragfähigkeit verstärkte Federn und eine stärkere Bereifung.
 
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Der Motorraum

Sämtliche elektrischen Einrichtungen wie Zündspulen Sicherungen,
Regler und Blinkgeber sind im Motorraum an der in Fahrtrichtung
linken Seitenwand zusammengefaßt. Reck neben dem Wärmeaustauscher ist
der neue Bremsflüssigkeitsbehälter aus durchsichtigem Kunststoff zu
sehen. Der Scheibenwischermotor (zwischen den Enttrosterschläuchen)
macht einen robusten Eindruck und läuft sehr leise.


sechste ist als Zigarettenanzünder ausgebildet. Drückt man sie,
so bleibt sie solange in dieser Stellung, bis die Spirale des
Anzünders glüht. Dann springt sie in ihre Ausgangsstellung
zurück und kann zum Anzünden herausgezogen werden. Die
Innenbeleuchtung schaltet sich beim Öffnen der linken oder
rechten Vordertür ein und die Lampen im Kofferraum und Motor-
raum leuchten jeweils beim Öffnen. Der Wartburg hat nunmehr
auch die Einheitslichtmaschine von 180 Watt erhalten, die auch
bei Nachtfahrt über ausreichende Reserven verfügt, um die
Batterie stets genügend zu laden.

Für die Sitze wurden helle, freundliche Stoffe verwendet, die
Vordersitze sind einzeln verstellbar. Gegenüber unserem damali-
gen Testwagen wurden auch die Polster wesentlich verbessert.
Die Sitze erscheinen uns etwas härter und gewährleisten dadurch
ein ermüdungsfreieres Fahren. Obwohl die Rückenlehnen nicht
verstellbar sind, empfanden wir auch nach stundenlanger Fahrt
auf diesen Sitzen keinerlei Ermüdungserscheinungen. Insgesamt
fällt im Innenraum die sehr saubere Verarbeitung der Karosserie
sowie der Verblendungen und Polster auf. Der an den Rahmen
der Vordertür angeklemmte Außenspiegel liegt gut im Blickfeld.
Der Innenspiegel war etwas zu hoch angebracht, so daß man teil-
weise die Oberkante des Heckfensters betrachtete. Die Fenster-
kurbel-Apparate könnten eine Modernisierung vertragen. Man
braucht zuviel Umdrehungen, um die Fenster herunter- oder
heraufzukurbeln. An den Vordertüren könnten Griffe oder als
Griffmulden ausgebildete Fensterbleche das Schließen der Türen
erleichtern. Verschlossen wird nunmehr auch die Fahrertür und
nicht mehr die rechte Vordertür. Wir halten das für erheblich
praktischer, weil ohnehin niemand rechts aussteigt. Für die Tür-
klinken selbst wünschen wir uns eine baldige Änderung. Ihre
Bauart verleitet zum Verkratzen des Lacks im Bereich der
Klinken. Auch dem Sicherheitstürschloß könnte eine qualitative
Verbesserung nichts schaden.

Gegen die Kofferraumöffnung mit dem Hebel vor dem Rück-
blickfenster gibt es an sich nichts einzuwenden; denn schließlich
Der Kofferraum

Im Kofferraum liegt unter einem Zwischenboden das Reserverad, der
Wagenheber, das Werkzeug und das übrige Zubehör. Wie im Motorraum,
schaltet sich auch hier beim Öffnen der Kofferklappe automatisch die
Beleuchtung ein. Die Heckleuchten vereinen in sich das Rück-, Blink- und
Bremslicht sowie die Rückfahrscheinwerfer, die bei eingelegtem Rück-
wärtsgang und eingeschalteter Fahrzeugbeleuchtung brennen.


öffnet man den Kofferraum normalerweise nur vor Antritt und
nach Beendigung einer Fahrt. Leider ist aber der Tankdeckel nur
vom Kofferraum aus zu öffnen, und da wird die Sache umständ-
lich. Vielleicht könnte schon eine Perlonschnur, vom Tankdeckel
zum Innenraum gezogen, eine Fernbedienung ohne Öffnen des
Kofferraumes ermöglichen. Das wäre praktisch und auch billiger
als z. B. ein Schloß im Kofferraum oder Tankdeckel.

Da wir den Testwagen überwiegend bei Minustemperaturen und
feuchtem Wetter fuhren, hatten wir auch Gelegenheit, die Heizung
ausgiebig zu erproben. Auf Langstrecke, wenn der Motor seine
richtige Betriebswärme hat, wird sie allen Anforderungen gerecht.
Im Kurzstreckenbetrieb bei halbkaltem Motor leidet sie jedoch
genau wie der Motor an chronischer Unterkühlung. Das bißchen
Warmluft, das sie nach einigen Kilometern von sich gibt, muß
man an die Windschutzscheibe leiten, um wenigstens diese
einigermaßen beschlagfrei zu halten. Den Motor im Stand warm-
laufen zu lassen, ist zwecklos, er wird erst unter Belastung, also
beim Fahren, warm. Die ersten sechs bis zehn Kilometer je nach
Außentemperatur sind daher nicht gerade angenehm. Ein
Heizungsgebläse, das vor allem beim langsamen Fahren einen
höheren Luftdurchsatz ermöglicht, läßt sich jedoch nachträglich
-einbauen. Die Luxusausführung hat es serienmäßig. Gut gelöst
wurde die Frischluftzuführung, bei der man Frischluft mit
Warmluft mischen und so eine ausgeglichene Temperatur im
Wageninneren herstellen kann.

Das Bordwerkzeug einschließlich Lampensortiment, Verbands-
kasten, Autobahndreibock usw. ist reichhaltig und genügt durch-
aus den Anforderungen kleinerer Unterwegsreparaturen.
Für uns bestand jedoch während der gesamten Testzeit nicht ein
einziges Mal die Notwendigkeit, am Wagen zu bauen, von der
selbstverständlichen Pflege und Kontrolle abgesehen. - Das war
bei den bisher von uns getesteten Wagen durchaus nicht die Regel
und ist wohl das beste Prädikat, das wir dem Wartburg 1959
ausstellen können. e-p
Modell-Palette
 
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