Mitteilung aus dem VEB Zentrale Entwick-
lung und Konstruktion (ZEK) für den Kraft-
fahrzeugbau, Karl-Marx-Stadt
 
 
 
 
Dipl.-Ing. G Ü N T E R  K I T T E L, ZEK
 

 
   T E S T    AWE 311 -
Wartburg 1959
Die neue Front
Einschätzung

   Der Wartburg aus dem VEB Automobilwerke Eisenach ist auf den
Straßen unserer Republik und auch im Ausland durchaus kein Neuling
mehr. Trotzdem erschien es lohnend, ihn, nachdem er bereits mehrere
Jahre der Entwicklung hinter sich hat, einem Test zu unterziehen.

   Wenn in der äußeren Form und in der Gesamtkonzeption auch keine
besonders auffälligen Veränderungen gegenüber den auf der Rallye-
Wartburg 1955 vorgestellten ersten Muster der Wartburgs getroffen
wurden, so ist das Baumuster 1959 doch in vielen Details wesentlich
verbessert. Der Wartburg 1959 ist ein Produkt systematischer Arbeit
im Automobilwerk Eisenach und ist heute ein international anerkanntes
Fahrzeug.

Allgemein

   Vom Motor her gesehen liegt der Wartburg mit 900-cm²-Zweitakt-
motor an der Grenze zwischen Klein- und Mittelklassewagen, seinem
Fahrkomfort, seiner Geräumigkeit und seinen Fahrleistungen ent-
sprechend muß man ihn in die Mittelklasse einstufen. Mit seinen vier
Türen bietet er gute Einstiegsverhältnisse (Bild 1). Der Innenraum ist
geräumig und geschmackvoll ausgestattet. In seinen Sitzmaßen ent-
spricht er durchaus dem internationalen Standard der Mittelklasse.

   Die festgestellte Eigenlast des Fahrzeuges liegt zwar im Vergleich zu
anderen Fahrzeugen seiner Klasse nach um rund 50 kp höher. Man muß
aber den Automobilbauern in Eisenach bestätigen, daß es ihren Anstren-
gungen gelungen ist, das Fahrzeug schon wesentlich abzumagern. Man
kann hoffen, daß die 900-kp-Grenze für den Wartburg noch erreicht
wird. Dabei ist besonders erfreulich, daß der vergleichsweise gewogene
Wagen in Standardausführung mit 950 kp um 10 kp leichter war, als
das Werk angibt. (Oft sind Werksangaben mit Vorsicht zu gebrauchen.
In dieser Beziehung gebührt Eisenach Anerkennung, da auch eine Reihe
anderer Werksangaben durch die Testergebnisse überboten wurden. Die
vom Werk angegebene Nutzlast von 370 kp geht endlich einmal von

Bild 1 (unten)
Bild 2 (rechts)

Vier offene Türen
realen Verhältnissen aus und nicht von den in den DIN-Normen ange-
gebenen 65 kp je Person, die für den normalen Mitteleuropäer meist nur
als Ziel einer Abmagerungskur angestrebt werden.

   Nicht unerwähnt soll in diesem Rahmen das veränderte Kühler-
gesicht und die farbenfreudigere Lackierung - teilweise bereits mit
Kunstharzlack - bleiben, was wesentlich zur Verbesserung des äußeren
Eindrucks des Fahrzeugs beigetragen hat. Der Übergang zum Parallel-
scheibenwischer ist zu begrüßen, da die Scheibenwischerfläche dadurch
bessere Sichtverhältnisse gewährleistet. Die noch zu verbessernde Quali-
tät der Scheihenwischerblätter ist aber nach wie vor zu bemängeln.

Fahrverhalten

   Die Lastverteilung mit etwa 53:47% ist günstig, der Schwerpunkt
liegt niedrig, so daß der Wagen eine sehr gute Straßenlage aufweist. Das

Der Motorraum

Fahrzeug ist verhältnismäßig wenig seitenwindempfindlich und daher
richtungs- und kurvenstabil, nicht zuletzt auch hervorgerufen durch den
Frontantrieb. Die Lenkung muß als sehr direkt bezeichnet werden, so
daß das Fahrzeug, verbunden mit der guten Straßenlage, für sportliche
Veranstaltungen besonders geeignet ist. Eine Tatsache, die durch die
Erfolge unserer Automobilsportler auch im westlichen Ausland immer
wieder bewiesen wird.

Lenkung

   Die Lenkung hat ihre frühere Schwergängigkeit verloren und läßt
sich leicht betätigen, was darauf hinweist, daß die Zahnstangenlenkung
für Fahrzeuge dieser Klasse durchaus noch daseinsberechtigt ist.

Federung

   Die konservative Blattfederung ist allerdings für den normalen Fahr-
betrieb, insbesondere auf den teilweise doch recht überholungsbedürftigen
Kraftfahrzeugtechnik 11/1959  
 

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Technische Daten

Allgemeine
Hersteller
Typ
Getestete Ausführung
Baujahr

Motor
Bauart
Anordnung
 
Hub/Bohrung
Hubraum
Verdichtung
Schmierung
 
Kühlung
Vergaser
Kraftstofförderung
Zündung
 
Zündkerzen
Sammler
Lichtmaschine

Kraftübertragung
Anordnung
Kupplung
Wechselgetriebe
 
Schaltung
Getriebeuntersetzungen
(Standardausführung!
1. Gang
2. Gang
3. Gang
4. Gang
Rückwärtsgang
Achsantrieb

Fahrgestell
Rahmen
Vorderachse
 
 
Hinterachse
 
Lenkung
 
Bremsen
 
 
 
 
 
 
 
 
Bereifung
Kraftstoffbehälter

Aufbau
Bauart
Sitze
Windschutzscheibe
Heizung
 
 
Hupenring
Blinkerbetätigung
 
Kofferraum

Hauptabmessungen
Radstand
Spur vorn
Spur hinten
Länge
Breite
Höhe unbelastet
Bodenfreiheit unbelastet
 
VEB Automobilwerke Eisenach
AWE 311 Wartburg
Luxus-Limousine
1959

 
Dreizylinder-Zweitakt-Ottomotor
vorn längs, mit Getriebe verblockt
dreifach in Gummi gelagert
78/70 mm
900 cm³
6,6 bis 6,8
Frischöl-Gemischschmierung 1;33
(bei Hyzet-Zweitaktmotorenöl 1:25)
Thermosyphonkühlung
BVF-Horizontalvergaser H 362-6
pneumatische Membranpumpe
Batteriemündung mit Dreihebel-Unter-
brecher
Isolator M 18 x 225
6V 84 Ah
6 V 180 W - spannungsregelnd

 
Frontantrieb Einscheiben-Trockenkupplung
Viergang-Getriebe mit Achsantrieb geblockt,
2. bis 4. Gang sperrsynchronisiert, sperrbarer
Freilauf am Getriebeausgang
Lenkradschaltung
 
 
3,273
2,133
1,368
0,956
4,44
4,857

 
Kastenprofilrahmen
Einzelradaufhängung, oben an querliegender
Blattfeder, unten an Querlenkern, Teleskop-
stoßdämpfer
Starrachse mit hochliegender Querblattfeder,
Teleskopstoßdämpfer
Zahnstangenlenkung mit symmetrisch
geteilter Spurstange
Fußbremse - hydraulisch auf alle vier
Räder wirkend
vorn Duplex-Gleitbackenbremsen
hinten Simlex-Gleitbackenbremsen
Belagbreite 50 mm
wirksame Bremsfläche 920 cm²
Handbremse -
mechanisierte Seilzugbremse auf Hinter-
räder wirkend
Superballon 5,90 - 15
40 l im Wagenheck

 
viertürige Ganzstahl-Limousine
vier, vorn Einzelsitze
Einscheiben-Sicherheitsglas
Frischluft-Kühlwasserheizung mit zusätz-
lichem Frischluftschacht (bei Luxus-
ausführung mit Gebläse)
am Lenkrad
am Lenkrad links
Zweispeichenlenkrad, 400 mm Dmr.
im Heck

 
2450 mm
1190 mm
1260 mm
4300 mm
1570 mm
1450 mm
90 mm

Nebenstraßen, etwas sehr hart und müßte in absehbarer Zukunft un-
bedingt verbessert werden.

Triebwerk

   Der sehr robuste Dreizylinder-Zweitakt-Ottomotor mit Umkehr-
spülung (Bild 2) ist eine Konstruktion, die im Lauf vieler Jahre ent-
wickelt wurde und sich bewährt hat. Der Motor ist in seinem Aufbau
sehr einfach und verlangt wenig Wartungsarbeiten. Robuste Bean-

spruchungen nimmt er kaum übel. Die Motorleistung ist durchschnitt-
lich, die angegebenen 37 PS sind real; Der Drehmomentenverlauf liegt
mit seinen Maximum bei 2000 U/min günstig, erreichte aber beim Test-
motor nicht die angegebenen. 8,3 kpm.

   Der Motor ist startfreudig, läßt sich über den gesamten Drehzahl-
bereich elastisch fahren und zeigt eine gute Beschleunigung. Er ist gegen-
über dem ersten Muster in einer Reihe Details verbessert (z. B. Zylinder-
kopf mit acht Schrauben, Kurbelwelle, Vergaser usw.) und erreicht jetzt
erfreulicherweise Verbräuche, die zu vergleichbaren Fahrzeugen durch-
aus günstig liebten. Der angegebene Normverbrauch von 9,6l/100 km
wurde beim Testfahrzeug um fast 10% unterboten.

   Das mit dem Motor verblockte Wechselgetriebe ist gut abgestuft. Die
Synchronisierung arbeitet jetzt einwandfrei, die anfänglichen Mängel
sind beseitigt. Verbunden mit dem Freilauf lassen sich die synchronisier-
ten Gänge auch bei robuster Fahrweise einwandfrei schalten. Man kann
den 2. bis 4. Gang ohne Schwierigkeiten auch ohne zu kuppeln vollständig
geräuschfrei schalten. Es ist allerdings nicht zu empfehlen, aus Bequem-
lichkeitsgründen generell auf das Kuppeln zu verzichten.

Bedienung

   Die Lenkradschaltung arbeitet einwandfrei und leicht, ist wegen des
umständlichen Gestänges allerdings empfindlich gegen schlechte Ein-
stellung. Sämtliche Bedienungsteile sind griffgünstig angeordnet, die
Instrumente liegen gut im Blickfeld des Fahrers (Bad 3). Die Instrument-
tafel ist geschmackvoll gestaltet. Die Sitzposition ist jedoch durchschnitt-
lich und wirkt auf längere Strecken ermüdend. Die Polster sitzen sich
schnell durch. Eine Verbesserung stellen bereits die Liegesitze der
Luxusausführung dar, die durch die Schaumgummiauflage eine höhere
Qualität haben und sich außerdem in der Rückenlehne dem Fahrer
anpassen lassen.

   Die neue Bremsanlage mit Gleitbacken stellt gegenüber den alten
Ausführungen eine echte Verbesserung dar. Die erreichten Bremsver-
zögerungen entsprechen jetzt den international üblichen Werten und
werden auch bei geringen Fußkräften erreicht. Mit einer wirksamen
Bremsfläche von 920 cm² liegt der Wartburg an der Spitze seiner Klasse.
Die Anfang dieses Jahres eingeführten Gleitbackenbremsen neigen jedoch
noch zum Heißwerden und Quietschen der Bremsen, was schnellstens
beseitigt werden muß.

Geräuschentwicklung

   Die Belästigung durch Motor- und Fahrgeräusche ist noch verhältnis-
mäßig groß. Trotz der bereits durchgeführten Maßnahmen müßte der
besseren Geräuschisolierung und der Herabsetzung der Motorgeräusche
(insbesondere Lüfter- und Ansauggeräusche) größeres Augenmerk ge-
schenkt werden. Besonders bei geöffneten Heizungsklappen dringt der
Motorlärm noch sehr unangenehm in den Fahrgastraum.

Zusammenfassung

   Faßt man den Gesamteindruck, den das Fahrzeug hinterläßt, zu-
sammen, so kann man feststellen, daß es den Automobilbauern in

Bild 3

Das Armaturenbrett
Kraftfahrzeugtechnik 11/1959  
 

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Testergebnisse

Gewichte
Eigenlast nach BIN 70090
zulässige Gesamtlast
Lastverteilung leer
vollbelastet
Schwerpunkthöhe über der Fahrbahn
unbelastet
vollbelastet

Kraftstoffverbrauch (Bild 4)
Kraftstoffnormverbrauch
nach BIN 70030
Durchschnittlicher Reiseverbrauch
während des Testes

Fahrleistungen
nach DIN 70020 (Bild 5)

Höchstgeschwindigkeit
500-m-Beschleunigungszeit
Fahrwiderstandsbeiwerte
    Rollwideratandibeiwert
    Luftwiderstandsbeiwert
    bei einer Stirnfläche von
LuxuslimousineStandardlimousine     
970 kp950 kp
1330 kp
vorn 53%, hinten 47%
vorn 47,5%, hinten 52,5%
 
513 mm
585 mm

 
 
8,75 l/100 km
 
9,8 l/100 km

 
 

117 km/h
30,5 m
 
fo = 0,017
cw = 0,525
F = 1,77 m²
Bremswerte
Fußbremse
 
 
 
 
 
Handbremse

Lenkungsuntersuchung
Wendekreisdurchmesser
Spurkreisdurchmesser
mittlere WinkeIuntersetzung der
    Lenkung

Fahrgeräusche
Außengeräusche bei Vorbeifahrt in
7 m Entfernung im direkten
Gang (nach StVZO)

Innengeräusche:
Fahrersitz
Fondsitz
 
Fußkraft PF = 60 kp
Vollverzögerung bv = 7,3 m/s²
mittlere Verzögerung über dem
Weg bm(s) = 5,3 m/s²
Bremsfading bei heißgefahrenen
Bremsen: 50%
Vollverzögerung bv = 3,3 m/s²

 
12 m
11,4 m
Lenkradeinschlag iL = 13:1
Radeinschlag

 
 
 
86 ... 88 DIN-phon

Betonbahn Kleinpflaster
90 DIN-phon 91 DIN-phon
88 ... 90 DIN-phon 91 DIN-phon

Motorenkennlinien des Testmotors (Bild 6)

Fahrdiagramm (Bild 7)
Das Fahrdiagramm wurde aufgestellt für eine Gesamtlast beim Versuch
Gvers= 1200 kp entsprechend einer Nutzlastausnützung von 64%

Sitzmaße (Bild 8)
a
610
 
n
490
b
390
 
o
570
c
390
 
p
908
d
200
 

1170
e
260
 
s
1100
f
470
 
t
1025
g
545
 

1160
h
1020
 
v
180 mm
k
280
 
 
 
l
500
 
 
 
m
310 mm
 
 
 
¹ in Schulterhöhe gemesen
Kraftstoffverbrauch
Bild 4
Fahrleistungen
Bild 4

Bild 6
 
Motorkennlinien
 
Fahrdiagramm Innenmaße

Eisenach gelungen ist, in systematischer Kleinarbeit den Typ Wartburg
zu einem ausgereiften Wagen zu entwickeln, der international kon-
kurrenzfähig ist und sich auch im Export wachsender Beliebtheit
erfreut. Die weitere Verbesserung der erwähnten Details wird den Wert
des Wagens noch vergrößern und sein Ansehen auf dem internationalen
Automobilmarkt haben.

   Noch ein Hinweis für das Werk scheint erforderlich, nämlich die von
Zeit zu Zeit notwendigen Veränderungen und Verbesserungen des Fahr-
zeuges in bestimmten Zeitabständen einzuführen und nicht laufend wie
bisher. Nicht ganz ohne Grund kann man immer wieder hören, daß "kein
Wartburg ohne Änderungen ist" - eine Tatsache, die sich auf die Ersatz-
teilhaltung und die Arbeit bei Instandsetzungsbetriebe ungünstig aus-
wirkt.KfA 4730
Kraftfahrzeugtechnik 11/1959  
 
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