Die 1,5-Liter-Rennsportwagen des EMW-Rennkollektivs Eisenach
 
Bei diesen Sportwagen aus der Deutschen Demokratischen Republik, welche
wertvolle Arbeitsunterlagen für die Weiterentwicklung von Serienfahrzeugen
und bei der Erprobung von Zubehörteilen brachten, sind drei große Entwick-
lungsstufen festzustellen.
Zunächst erfolgte im Versuchs- und Prüfamt des DAMW in Berlin-Johannis-
thal der Neubau im Rahmen eines Forschungsauftrages. Die von einem Kollek-
tiv von Ingenieuren, Kraftfahrzeugtechnikern, Meistern und Handwerkern her-
gestellten Wagen starteten erstmals 1951. Der größte internationale Erfolg in
Frontansicht des EMW-Rennwagens
 
Bild 106. Frontalansicht des EMW-Renn-
sportwagens in der Ausführung von 1953
mit Vollstromkarosserie
dieser Zeit war zweifellos der Avus-Sieg
in neuer Rekordzeit im Jahre 1952.
Nach Beendigung der Rennsaison 1952
erfolgte die Verlegung des Rennkollek-
tivs nach Eisenach und die Einbeziehung
der Rennabteilung in den Volkseigenen
Betrieb Automobilfabrik EMW. Hier
wurden weitere Verbesserungen beson-
ders in bezug auf die Fahreigenschaften
vorgenommen. Bei einer Überlegenheit
gegenüber ausländischen Konstruktio-
nen wurde jedoch der Leistungsstand
der neuesten Rennsportwagen von
Porsche damals nicht ganz erreicht
(Bild 106).
Man entschloß sich deshalb Ende 1953 in
Eisenach zur Schaffung eines in mo-
torischer und fahrwerksmäßiger Hinsicht fast völlig neuen Fahrzeuges. Dieser
neue Rennsportwagen reifte vom ersten Start 1954 in Leipzig bis zur Beendi-
gung dieser Rennsaison so weit aus, daß es gelang, mit ihm bereits Ende 1954
Weltbestleistungen aufzustellen.
 
Die Motoren

Die 1951 unter beträchtlichem Zeitdruck stehende Entwicklung des Sport-
wagens gestattete keine völlig neue Konstruktion eines Motors. Man griff des-
halb auf vorhandene Bauteile des sechszylindrigen Sportmotors vom Typ 328
zurück. Die V-förmig in die sechs Verbrennungsräume hängenden Ventile im
V-Zylinderkopf wurden nach wie vor von einer untenliegenden Nockenwelle
über Stoßstangen und Kipphebel bzw. Umlenkhebel gesteuert. Die Bohrung
des 2-Liter-Motors von 66 mm wurde beibehalten, der Hub aber für einen Hub-
raum von 1500 cm³ auf 73 mm verkürzt, wobei sich selbstverständlich wesent-
lich günstigere Kolbengeschwindigkeiten ergaben und die Tourenzahl entspre-
chend erhöht werden konnte. Der Motor wurde 10:1 verdichtet und die Kur-
belwelle viermal rollengelagert (Rollendurchmesser 6 mm). Die Pleuel waren
ebenfalls rollengelagert (6 mm Rollendurchmesser), und die Kolbenbolzen liefen
in 2-mm-Nadellagern. Für jeden Zylinder war eine Zündkerze mit Wärmewerten
 
 
 
Die Deutschen Rennfahrzeuge 1956
 
 
 
von 320 bis 380 vorgesehen. Zwischen den Ventilreihen waren drei Fallstrom-
vergaser angeordnet.
Die Leistung wurde in den einzelnen Verbesserungsstufen dieses Motors von
105 PS bei 6500 U/min bis auf etwa 115 PS bei 7000 U/min gesteigert. Wenn
man berücksichtigt, daß der 2-Liter-Motor 328 in ähnlicher Auslegung damals
80 PS leistete, ist dieser Steigerung im 1,5-Liter-Motor tatsächlich große Be-
achtung zu schenken.
Im konstruktiven Aufbau anders ist der 1,5-Liter-Motor von 1954. Die sechs-
zylindrige Reihenbauweise wurde bei Verwendung neuer Motorgehäuse zwar bei-
behalten, die bisherige Ventilsteuerung aber durch zwei obenliegende, durch
geradverzahnte Stirnräder angetriebene Nockenwellen in einem V-förmigen
Leichtmetall-Zylinderkopf ersetzt. Hierbei wurden die Ventile unter Zwischen-
legung von Schlepphebeln betätigt. Die Ventile stehen in einem Winkel von
80º. Weiterhin erhielt dieser neue Motor Doppelzündung, also zwei Zündkerzen
je Zylinder, für die zwei direkt von den Nockenwellen angetriebene Magnete,
voneinander unabhängig arbeitend, den Zündstrom lieferten. Die Kurbelwelle,
die im Querschnitt doppel-T-förmigen Pleuel und die Kolbenbolzen waren in
einer Ausführung genau wie im 1953er Motor rollengelagert. Es wurden jedoch
auch Motoren verwendet, bei denen die Kurbelwelle in 4 Mehrstoff-Gleitlagern
 
 
Bild 107. Der Zweinockenwellen-Motor von 1954 mit den drei
Doppel-Flachstromvergasern und Doppelzündung

 
Doppelnockenwellenmotor
 
 
 
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lief. Die Verdichtung betrug zunächst 9,5:1. Jeder der geschmiedeten Leicht-
metallkolben war mit drei Kolbenringen und einem Ölabstreifring be-
stückt. Das Verhältnis Hub/Bohrung von 76 mm/66 mm wurde beibehalten.
Während bei den ersten Starts der Motor noch mit sechs Motorrad-Vergasern
- deren abstimmung beträchtliche Schwierigkeiten hervorrief - ausgerüstet
war, wurden diese bald durch drei Doppel-Flachstromvergaser ersetzt. Die
Schmierung erfolgte im Druckumlauf (Ölinhalt des Schmiersystems 8 Liter)
durch Zahnradölpumpe in der Ölwanne. Diese Ölwanne lief nach unten breit
aus und war mit Kühlrippen versehen. Der Wasserinhalt des Kühlsystems be-
trug etwa 12 Liter.

Im Entwicklungsstadium leistete dieser Motor bei 7000 U/min 110 PS. Das
maximale Drehmoment betrug bei 5500 U/min 14,5 kgm. Ende 1954 wurde die
Leistung dieses Motors bereits mit 130 PS bei 7000 U/min angegeben (Bild 107).
 
Getriebe und. Kraftübertragung

Die Kupplung ist in allen drei Entwicklungsstufen eine Trockenkupplung ge-
wesen. Im Baujahr 1951 war es zunächst eine Einscheibenkupplung, welche dann
für die Folge durch eine Zweischeibenkupplung ersetzt wurde. Das Getriebe
war praktisch in allen Ausführungen gleich. Es hatte die Dimensionen des
Serientyps EMW 321 und war ein Vierganggetriebe, für welches verschiedene
Radsätze - je nach Charakter der Rennstrecke - verfügbar waren. Die Unter-
schiedlichkeit der wahlweisen Untersetzungen bezog sich jedoch nur auf den
II. und III. Gang. Für den I. Gang lag die Untersetzung mit 2,8:1, und für den
IV. Gang, welcher durch Schiebemuffe geschaltet wurde, lag sie mit l:1 fest.
Auf die Hinterachse erfolgte die Kraftübertragung durch eine Gelenkwelle.
Für den Achsantrieb standen fünf verschiedene Übersetzungen zwischen 3:1 und
5:1 zur Verfügung. 1951 war noch kein selbstsperrendes Ausgleichgetriebe
eingebaut, das erfolgte erst ab Mitte 1952. Auf Grund der völlig anderen Hinter-
achskonstruktion war im 1954er Wagen das Differential fest im Wagen aufgehängt.
 
Vorderachse

Hier werden drei grundsätzliche Unterschiede erkenntlich. Die Vorderräder
waren 1951 an je einem unteren Querlenker und der oberen querliegenden
Blattfeder, welche damit die Einzelabfederung übernahm, aufgehängt. 1953 er-
folgte die Entlastung der Blattfeder von den Radführungsaufgaben, und die
Räder waren an je zwei Querlenkern aufgehängt. Die beibehaltene querliegende
Blattfeder wirkte über einen Zwischenhebel an jedem Federauge auf die oberen
Querlenker.

Im Wagen von 1954 hing man die Räder an ungleich langen Querlenkern auf
und federte sie durch einen längsliegenden Torsionsstab auf jeder Seite ab, wo-
bei die Federkraft über eine Kerbverzahnung auf die oberen Querlenker und
von dort auf die Räder übertragen wurde. Schräggestellte Teleskopstoßdämpfer
von den unteren Querlenkern zu einer Rahmentraverse übernahmen die
Schwingungsdämpfung (Bild 108).
 
 
 
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Vorderachsaufhängung
 
Bild 108. Aufhängung des linken Vorderrades an zwei
ungleich langen Dreieckslenkern, die Bremse und Dreh-
stabfederung am 1,5-Liter-Rennsportwagen 1954

Hinterachse

Die Hinterachskonstruktionen zeigen in zwei Entwicklungsstufen gleichfalls
bemerkenswerte grundsätzliche Unterschiede.
Bis 1953 war die starre Hinterachse durch Halbelliptik-Blattfedern abgefedert.
Diese Blattfedern führten von der vorderen Rahmenlagerung - wo sie die
Zug- und Schubkräfte aufnahmen - schräg nach hinten oben zu einer Brücken-
traverse des Rohrrahmens.
Als Verbesserung wurden dann zusätzliche Querlenker und ein Torsionsstabili-
sator eingebaut. Die prinzipielle Anwendung der Teleskopstoßdämpfer an der
Hinterachse wurde beibehalten.
Völlig unterschiedlich wurde dann die Hinterachskonstruktion des Fahrzeuges
von 1954. Diese Hinterachse war eine Doppelgelenkachse nach der De-Dion-
Bauweise. Das Tragrohr verlief hinter dem Differential. Über dem Differential
lag ein Dreieckslenker, der mit seiner breiten Basis in einem mit dem Rahmen
verbundenen Knotenblech und zum anderen in einem Kugelbolzen auf dem
Tragrohr gelagert war. Hier wurden sowohl die längs als auch seitlich wirkenden
Kräfte aufgenommen (Bild 109).
Die Federung erfolgte durch längsliegende Torsionsstäbe über Kurbelarme, an
die gleichzeitig schräggestellte Teleskopstoßdämpfer angriffen.
 
 
 
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Hinterachsaufhängung
 
Bild 109. Hinterachskonstruktion und Achsführung 1954

Bremsen

Die Bremsen mit einem Trommeldurchmesser von 280 mm wurden serienmäßig
vom EMW 340-2 übernommen. Den Bremstrommeln wurde lediglich eine Alu-
Kühlrippenmanschette zwecks besserer Wärmeableitung aufgeschrumpft. Die
Hydraulik der Bremsanlage wirkte in zwei Kreisen; ein Hauptbremszylinder
war für die Hinterräder und ein zweiter für die Vorderräder vorgesehen. Dieses
Zweikreis-Prinzip ist nicht mit dem ansonsten außerdem verwendeten Duplex-
System (zwei Radbremszylinder je Bremse) zu verwechseln.
 
Rahmen und Karosserien

Die Ausführungen der Rahmen waren für die einzelnen Baujahre natürlich von-
einander abweichend. In jedem Falle wurde hochwertiges Rohrmaterial ver-
wendet und, soweit möglich, eine Gitter-Bauweise bevorzugt, welche einzelne
Rahmenteile lediglich auf Zug und Druck, nicht aber auf die schwerer beherrsch-
baren Biegungskräfte beanspruchte.
Die Form der Karosserie hatte Wandlungen bei jeweils gleichzeitiger Vermin-
derung des Luftwiderstandes erfahren. Die aus Al-Blech hergestellte Karos-
serie für 1954 dürfte einen äußerst niedrigen Luftwiderstandsbeiwert gehabt
haben. Durch die hochgezogene, organisch in den Karosseriekörper einbezogene
Vorderradverkleidung und die als dreifaches Seitenleitwerk anzusprechenden
 
 
 
Die Deutschen Rennfahrzeuge 1956
 
 
 
Hinterradverkleidungen mit der Kopfstütze wurde eine weitgehende Unemp-
findlichkeit gegen Seitenwind erzielt.
Der 80-Liter-Tank ist als zweiter Fahrersitz (ein solcher zweiter Sitz gehört zu
den Vorschriften für Sportwagen) ausgebildet gewesen. Dadurch, d. h. durch
die Lage am Fahrzeugschwerpunkt, wurde eine nahezu gleichmäßige Gewichts-
verteilung auch bei abnehmendem Brennstoffvorrat gewährleistet.
 
Zahlenangaben

Die 1951 neu gebauten Sportwagen wogen je nach Karosserie bis zu 680 kg:
Der Sportwagen, der 1954 eingesetzt wurde, wog knapp 500 kg.
Noch weitere Zahlenangaben über den 1954 gebauten Rennsportwagen sind:


Größte Höhe an der Oberkante Kopfstütze
Höhe an der Vorderseite des Fahrersitzes
Radstand
Spurweite vorn
Spurweite hinten
Höchstgeschwindigkeit
900 mm
650 mm
2150 mm
1000 mm
1170 mm
235 km/h
Für das Jahr 1955 wurden im EMW-Rennkollektiv in Eisenach weitere Ver-
besserungen und Änderungen durchgeführt.
 
 
 
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